Heute ist die erste Postkarte aus Deutschland in meinem Briefkasten gelandet- meine Großeltern waren am schnellsten… ;) Erstmal auch ein ganz großes Dankeschön an alle, die mich per Mail, jugendfest.de oder Skype kontaktiert haben! Es tut wirklich gut, zu wissen, dass ihr an mich denkt und für mich betet. Bitte nehmt es mir nicht übel, wenn ich mal vergesse, jemandem zu antworten.
Heute gibt es mal keine Fotos, denn die Batterien meiner Kamera sind alle. Aber das macht nichts, das regt eure Fantasie an. :) Heute war ich bei Gražina, meiner Litauischlehrerin, die eigentlich Deutschlehrerin ist, zu Hause. Sie wohnt auch in einer Plattenbauwohnung. Eine sehr sympathische, ältere Frau, die viel Geduld mit mir hat.
„Marijampolė ist ein großes Dorf“, hat eine Litauerin, die ich bereits in Deutschland kennengelernt habe, gesagt. Und das stimmt auch. Außer den sozialistischen Wohnblöcken gibt es hier auch eine Menge kleiner, bunter, etwas heruntergekommener Häuser mit niedlichen Gärtchen. Vor den großen Supermärkten stehen auch immer noch kleine Händler mit ihren Buden. Zum Beispiel eine Frau, die immer da sitzt und strickt und ihre selbstgestrickten Sachen verkauft.
[Nächster Tag.] Heute war der große Tag, an dem Verena ankommen sollte. Früh um acht ruft mich Anne an, dass sich Verena auch gerne meine Wohnung anschauen würde. Das hatte ich fast schon befürchtet… Also in einer halben Stunde schnell herumliegende Sachen aufgeräumt, provisorisch staubgewischt, und ein paar Teetassen aufgestellt. Sie kam dann auch, eine sehr sympathische Frau, die sich seit 15 Jahren für das Kinderdorf engagiert. Sie erzählte mir auch vom Charisma, von der Herzlichkeit und von der Frömmigkeit des Paters Vytatutas Kazlauskas, der das Kinderdorf seinerzeit gegründet hatte, aber vor einigen Jahren in hohem Alter verstarb. Anschließend kauften wir in der Stadt noch Blumen und eine Grabkerze, denn Verena wollte auch das Grab des Monsignore besuchen. Verena weiß wahrscheinlich mehr über das Kinderdorf, als ich, aber dafür weiß ich auch ein paar Dinge aus dem Kinderdorfalltag, die Verena nicht weiß… :) Bepackt mit vielen Geschenken fuhren wir dann ins Kinderdorf.
Das ganze Dorf hatte sich schon auf ihren Besuch vorbereitet. Der Direktor, sein Assistent, meine Betreuerin Anne und ich haben mit ihr Kaffee getrunken uns einen kleinen Rundgang durch das Kinderdorf gemacht. In jedem Haus wurden uns die leckersten Sachen angeboten, man muss hier wirklich lernen, nein zu sagen… Nach dem Mittagessen habe ich das Besuchskomitee erstmal sich selbst überlassen und die Listen eingesammelt, die ich am vorherigen Tag ausgeteilt hatte. Ich habe nämlich vor, nächste Woche mein erstes eigenes kleines Projekt zu starten. Aber mehr verrate ich an dieser Stelle noch nicht… :) Nachmittags werden wieder fleißig deutsche und englische Lieder geprobt für den Besuch der Paten aus D und CH morgen. Der Raum schön geschmückt, mit Fahnen, Blumen und Apfelbäumen (ok, da werd ich noch ein Foto nachreichen... :) ) Während der Probe hatte ich die nervenaufreibende Aufgabe, auf die Kinder aufzupassen, die grade nicht dran sind. Die lärmen dann nämlich immer im Gang rum, klettern auf die Heizungen, schlagen sich usw. ABER dann habe ich gesagt: „Lasst uns jetzt mal eine Minute still sein.“ Und tatsächlich- eine ganze Minute (ich habe es den Kindern auf meiner Uhr gezeigt) mucksmäuschen still. UND noch besser: dann wollten sie unbedingt probieren, ob sie es auch zwei Minuten schaffen, und dann drei und dann fünf. Der Traum eines jeden Pädagogen.
Anschließend hab ich mich mit Arturas noch über den Deutsch-Unterricht unterhalten, den er mit den Kindern ab nächster Woche starten will. Da bin ich auch sehr gespannt drauf.
Mit einem Jungen namens Evaldas habe ich dann noch eine Runde Schach gespielt. Im Haus Nummer 2, wo ich immer Mittag esse, ist ein neues Kind eingezogen, das ich heute auch begrüßt habe. Aber das Beste heute war, dass ich spontan zu einer Geburtstagsfeier eingeladen worden bin. In Haus 7 haben 3 Kinder Geburtstag gefeiert. Es gab eine Menge leckerer Sachen, Kuchen, Bonbons, Früchte, Kartoffelsalat, Reis, Wackelpudding, Limonade… An dieser Stelle herzliche Grüße an Dr. med. Enno Hering, meinen Zahnarzt: nach diesem FSJ brauch ich ein neues Gebiss (Tee mit „wenig Zucker“ heißt hier: „zwei Esslöffel“)… ;) Auch lustige Spiele haben wir gespielt, z.B. das Apfelspiel. Dabei gibt man sich einen Apfel, der an einem Faden befestigt ist, im Kreis herum weiter, und wenn die Musik ausgeht, muss der, der den Apfel gerade hat, versuchen, selbigen freischwebend ohne Hände zu essen… Die Feier war jedenfalls sehr schön. Nur leider hat mir ein Mädchen aus Versehen einen Stuhl auf den Finger gestellt. Den Finger hatte ich mir in Deutschland schon mal gebrochen, und da war eine Titanplatte reinoperiert, die sich jetzt (so fühlt es sich zumindest an bzw. sieht es aus) leicht verschoben/verbogen hat. Naja, wir werden morgen mal die Paten Paten sein lassen und in aller Ruhe zum Arzt gehen…
Jetzt (20.33 Uhr) sitze ich gerade mit meinem Laptop an der Bushaltestelle. Es ist eine laue, litauische Nacht, der Mond schaut voll und weiß zwischen den Wolken hervor. Ich habe zwar versucht, ein paar Autos anzuhalten, aber es ist schon dunkel, und da bleibt mir nichts anderes übrig als auf den letzten Bus zu warten…
Über eins kann ich mich nicht beklagen, wenn ich einmal im Himmel sein werde: ich hatte kein langweiliges Leben. :)